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  • die AfD - Resümee eines Vortrages
    Gestern war ich auf einer Veranstaltung, in der es um die zunehmend rechte Orientierung eines Teils unserer Bevölkerung ging. Es wurde die Frage nach dem „Warum?" gestellt und, auf rechts orientierte Mitglieder des einladenden Krei­ses bezogen, Überlegungen angestellt, was die Organisation gegen diese Tendenzen tun könne.

    Der Schwerpunkt des Vortrages lag auf der Ursachenanalyse. Die meisten der nun folgenden Argumente werden Euch bekannt sein. Aus später erläutertem Grund macht es für mich dennoch Sinn, sie folgend noch einmal zu benennen.

    Ursachen
    • Die Schere zwischen armen und reichen Bevöl­kerungsschichten geht immer weiter ausein­ander.
    • Bis hin zur unteren Mittelschicht kommt es zu einer Geldknappheit.
    • Die finanzielle Not, eine Zunahme prekärer Beschäftigungsverhältnisse sowie die Angst vor Arbeits­losigkeit führt zu Existenzängsten und Sorgen um einen Statusverlust. (Die Anstellung von Leih- und Vertragsarbeitern würde aus wirtschaftlicher Sicht keinen Sinn machen, sondern diene ausschließlich ­der Einschüchterung der Belegschaft, wie der Dozent erläuterte.)

    Reaktionen der AfD
    • Sie signalisiert Verständnis für diese Sorgen.
    • Sie bietet (Pseudo-) erklärungen an.
    • Es werden Sündenböcke benannt. (So kam es zu einen Gefühl von Erhabenheit
      kommen wenn jemand, der sich an den unteren Rand der Gesellschaft gedrängt fühlt, mit einen verächtlichem Blick auf noch unterprivi­legierte Menschengruppen blicken kann.)
    • Für ihre Argumentationszusammenhänge greift die AfD alte Feindbilder auf und vertritt rassistische, antisemitische und andere menschenverachtende Theorien (wie z.B. jene, dass Arbeitslose an ihrer Situation selber Schuld seien), die von einem Teil der Bevöl­kerung auch parteiunabhängig vertreten würden.
    • Ein sehr wichtiges Medium der Propaganda sind Internetplattformen. Sie werden in­tensiv und mit einer starken Wirkung genutzt.

    Hintergründe
    • Im Vergleich zu den 20er Jahren, in der die NSDAP groß geworden ist, findet der Zulauf zur AfD in einer „ökonomischen Schönwetterperiode" statt, wie der Dozent ausführte.
    • In Bezug auf die "finanzielle Talfahrt" bestimm­ter Bevölkerungsschichten stellte der Vor­tragende fest, der Rechtspopulismus würde nicht von den Verlierern von gestern, sondern von jenen von morgen getragen werden.
    • Ergänzend führte er an, Rebellionen seien auch in früheren Zeiten von der Mittelschicht ausgegangen.
    • Es gäbe in der heutigen Zeit "eine Pogromstimmung unter den Arbeitern, die keinen Adres­saten habe".
    • Generell ist rechtsextremistisches Gedankengut iin allen Schichten der Bevölkerung zu finden. Bil­dungsfernere Mitbürger sind lediglich freier darin, diese offen zu äußern.
    • Die Hemmschwelle zur Äußerung rechter Positionen in die Öffentlichkeit sinkt zusehends UND ZUHÖRER RECHTSORIENTIERTER ÄUSSERUNGEN SCHWEIGEN OFTMALS. (Sch... Gruppendynamiken! Diese Phänomene kommen immer wieder zum Tragen. Ich denke, zu ihnen werde ich zu gegebener Zeit einen eigenen Beitrag schreiben.)

    Überlegungen zu einen klugen Umgang mit dieser Situation wurden an diesem kaum Beachtung geschenkt.

    ——————————————

    Als ich mit den Schreiben dieses Beitrages be­gonnen habe dachte ich, was auch gestern
    nach der Veranstaltung mein erstes Resümee war: „Die genannten Gründe sind schon unzäh­lige Male genannt worden. Was hat die Ver­anstaltung also für einen Erkenntnisgewinn - und welcher kann mit dem Bloggen dieses Beitrages verbunden sein?"

    Nachdem nurn alle gestern genannten Argumente, die mir aufgefallen waren, noch einmal zu­sammengetragen sind kann ich sagen, dass mir eine erneute Bewusstwerdung der Gründe für die momentan Entwicklung sehr gehol­fen hat.

    Bei der Etablierung sozialarbeiterischen Hilfen kommt es keinesfalls auf deren Quantität
    an. Das A und 0, um ein Chance auf eine Wirksamkeit zu haben, ist ihre Passgenauig­keit. Dies ist ein Mantra in meinem Arbeitsfeld.

    Und auch bei der Diskussion um die Frage, wie den rechtsorientierten Tendenzen zu begegnen ist, halte ich den Fokus auf die Passgenauigkeit unserer Reaktionen für elementar wichtig.
    Motor dieser Entwicklung sind große Ängste und das Gefühl, nicht gehört und verstan­den zu werden.
    Warum scheint in erster Linie die AfD "die Kunst zu beherrschen", ein Gefühl von Verständnis zu trans­portieren und Mitstreiter für die Umsetzung (vermeintlicher) Lösungsansätze zu gewinnen?

    Welches Vorgehen, gerade unserer politischen Führung, ich für ratsam halte, werde ich im Beitrag "Führungsqualitäten" erläutern.




    mark793 am 06.Feb 20  |  Permalink
    Ehrlich gesagt halte ich diese Analyse eher für minderplausibel. Sicherlich spielen ökonomische Ängste auch eine Rolle, immerhin wurde die AfD ja ursprünglich als Anti-Euro-Partei gegründet. Aber ohne den Schock, den die Grenzöffnung 2015 und die konzeptionslose Zuwanderungspolitik der letzten fünf Jahre in nicht unerheblichen Teilen der Bevölkerung ausgelöst hat, ist der hohe Zuspruch für die AfD m.E. nicht zu erklären. Ich weiß aus unzähligen Zeitungskommentaren (beilieibe nicht alle wurden auch veröffentlicht), dass viele die AfD gewählt haben, um der Merkelschen Migrationspolitik eine Absage zu erteilen und nicht, weil sie die sonstigen Inhalte der AfD unterschreiben würden.

    wartet.nicht.mehr am 06.Feb 20  |  Permalink
    Guten Abend mark793,

    meinen Sie, der von Ihnen beschriebene Schock trägt seine eigentliche Ursache wirklich in der Zuwanderung?
    Ich glaube, dass nur prinzipiell verunsicherte Menschen mit einer solchen Abwehr gegen Fremde reagieren. Meines Wissens hat durch die Zuwanderung niemand persönliche Verluste hinnehmen müssen und den größten Widerstand hat es in Gegenden mit dem niedrigsten Ausländeranteil gegeben.
    Daher sehe ich zu wenig Zusammenhang zwischen Betroffenheit und Reaktion, um letztere alleine mit der Flüchtlingszuwanderung zu begründen.

    Sie erläutern, "dass viele die AfD gewählt haben, um der Merkelschen Migrations-politik eine Absage zu erteilen". Mittlerweile kommen kaum noch Flüchtlinge ins Land. Warum hält der Zuspruch für diese Partei, Ihrer Meinung nach, weiter an?

    Viele Grüße

    wartet.nicht.mehr am 06.Feb 20  |  Permalink
    P.S. Von anderer Seite betrachtet würde ich sagen, es wäre auf keinen Fall ein Fehler, beiden Erklärungsansätzen (Schock vor Grenzöffnung 2015 und die konzeptionslose Zuwanderungspolitik und Existenzängsten) nachzugehen und mit "der Strategie der AfD", Verständnis und Lösungsansätze zu bieten, zu reagieren.

    mark793 am 06.Feb 20  |  Permalink
    Nun, auch wenn die ganz große Welle abgeebbt ist, kommen ja immer noch bis zu 200.000 im Jahr, das ist eine ganze Großstadt à la Osnabrück. Zum anderen hat es ja nie eine offizielle Kehrtwende gegeben, die Kanzlerin hat zwar rumgedruckst, dass sich 2015 nicht wiederholen dürfe, aber wer glaubt ihr das ernsthaft, wenn der Deal mit der Türkei platzt und die nächsten Hunderttausende und Millionen sich auf den Weg machen? Gibt ja immer noch Politiker, die fordern, wir müssten sämtliche Bootsflüchtlnge ins Land holen und am besten noch alle Lagerinsassen in Nordafrika, Griechenland uns sonstwo.

    Das mit den persönlichen Verlusten ist auch nicht mein Problem, aber gerade für die Unterschicht sind die Zuwanderer eine Konkurrenz um staatliche Zuwendungen und Leistungen. Und da kam bei vielen der Eindruck auf, wir müssen für jeden Euro vom Amt Riesenstriptease veranstalten, die Infrastruktur wurde jahrelang kaputtgespart, und jetzt kommen die und kriegen allles in den Hintern geschoben. Ob das tatsächlich so ist, steht natürlich auf einem anderen Blatt, aber das ist der fatale Eindruck, dem die Politik nicht entgegengewirkt hat in ihrem Bemühen, ja kein Fleckchen auf das schöne Bild der Willkommenskultur kommen zu lassen.

    Im an sich verständlichen Bemühen, ja keine Fremdenfeindlichkeit zu fördern, haben Politik und Medien lange nur Erfolgsmeldungen und Multikulti-Heiapopeia abgefeiert, während viele eine ganz andere Realität wahrnehmen. Das ist nicht unbedingt eine Frage der Quantität, ich weiß aus meiner Heimatstadt Mannheim, dass vielleicht ein Dutzend jugendlicher Migranten die Innenstadt wochen- und monatelang so terrorisiert hat, dass selbst der an sich migrationspositive OB Brandbriefe ans Stuttgarter Innenministerium schrieb, die Situation gerate außer Kontrolle und die Willkommenskultur sei in Gefahr.

    Und dennoch: Man muss sich nicht exklusiv auf dieses eine Thema versteifen, wenn man der AfD den Nährboden entziehen will, da gebe ich Ihnen völlig recht. Ich wollte damit nur sagen, dass auch die ökonomische Perspektive hier nicht alleinseligmachend ist.