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  • Sonntag, 29. September 2019
    Flüchtlinge nehmen die Arbeitsplätze weg.
    Sehr geehrte Vertreterinnen und Vertreter des oben genannten Arguments,

    Sie sind auf Jobsuche?

    Folgend möchte ich Ihnen ein paar gute Tipps mit auf den Weg geben. Bewerbungen bei den hier beschriebenen Firmen versprechen meist einen schnellen Erfolg .:

    ERSTER TIPP:
    Amazon sucht für seine Lagerarbeit permanent Mitarbeiter. Sie werden engmaschig über-wacht und vor Weihnachten dort anzufangen ist nicht ratsam. Die Firma macht in dieser Zeit viele Verträge bis zum 31.12.. Dann ist das Weihnachtsgeschäft vorbei und dann …

    Ansonsten ein super Arbeitgeber. Wer Hilfe bei der Bewerbung über das Internetportal der Firma benötigt melde sich bitte.

    ZWEITER TIPP:
    Zeitarbeitsfirmen vermittelt viele niedrigschwellige Jobs. Beschiss um bis zu 25% des Gehalts, durch falsch berechnete Arbeitsstunden, muss bei den meisten nach meiner Erfahrung einkalkuliert werden. - Das Leben ist halt kein Wunschkonzert, nicht wahr?

    Abgesehen davon eine klasse Möglichkeit für alle, die schnell in Arbeit kommen wollen.

    Für diejenigen, die zudem keinen Wert auf eine verlässliche wöchentliche Stundenzahl (und somit ein verlässliches Gehalt) legen und denen es egal ist, ohne Hemmungen in einem zickigen, überheblichen Ton angefahren zu werden, habe ich eine spezielle Adres-se. Schreiben Sie mich bei Interesse gerne an.

    Lagerarbeit biete prinzipiell viele Vorteile. Zum einen spart sie Zeit und Geld für ein Sportstudio. Durch das Tragen schwerer Kisten und das Marschieren durch z.T. große Hallen in zügigem Tempo wird man optimal fit gehalten.
    Zum anderen ist sie sehr förderlich für die Charakterbildung. Der Schichtdienst mit Ein-sätzen rund um die Uhr schult in geradezu idealer Weise in Demut – wie auch die oftmals auftretenden Rückenschmerzen. (Bei uns hatten im Laufe der Zeit eine Reihe junger, kräftiger Männer Rückenprobleme.)
    Alles in allem ein echter Traumjob, wie Sie sicher schon erkannt haben.

    DRITTER TIPP:
    McDonalds ist auch immer eine gute Adresse für eine Bewerbung.

    VIERTER TIPP:
    die Straßenreinigung
    Die Halsabschneiderei des Chefs der Firma, die an meinem Arbeitsort zuständig war, ging weit über das hinaus, was wir sonst gewohnt waren. Ein Bewohner ist deswegen, voll-kommen zu Recht, vors Arbeitsgericht gezogen.
    Ich habe mal die Aussage gehört, dass dieser Chef bewusst nur Ausländer einstellt weil diese, aufgrund ihrer Unwissenheit, besser „über‘s Ohr zu hauen sind“. Für unwahr-scheinlich halte ich diese Theorie nicht.
    Auch diese Firma sucht immer, Sie haben beste Chancen.

    FÜNFTER TIPP:
    Wer die Arbeit so sehr liebt, dass ihm Stundenzahl und Gehalt vollkommen egal ist, kann gerne bei einer der Firmen anfangen, in denen „meine Bewohner“ kurz nach Ankunft in Deutschland beschäftigt waren. In dieser Zeit hatten sie noch keine Ahnung vom deut-schen System.
    Wenn jemand dort anfangen möchte stelle ich gerne einen Kontakt her.

    Dies sind die Firmen bei denen die Flüchtlinge, die ich die letzten zwei Jahre unterstützt habe, vornehmlich gearbeitet haben.

    Ich würde es sehr begrüßen, währen dort künftig mehr deutsche Mitarbeiter beschäftigt. Diese würden die Flüchtlinge von den Arbeitsstätten verdrängen und so hätte die von Ihnen sehr richtig benannte Situation, dass Flüchtlinge Deutschen die Arbeitsplätze wegnehmen, endlich ein Ende.

    Bei weiteren Fragen stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung.

    Mit freundlichen Grüßen



    Was für ein Glück ich doch habe!
    Es ist Sonntag. Sonntag ist mein Lieblingstag.
    In der Bibel steht „Am siebten Tag hatte Gott das ganze Werk vollendet und ruhte von seiner Arbeit. Gott segnete ihn und machte ihn zu einem besonderen Tag, (…).“* und das dritte Gebot besagt, dass wir den Feiertag heiligen sollen.

    Etwas anderes werde ich heute auch nicht tun. ;-)) Es ist 12.58 Uhr und bislang habe ich meiner Katze und mir Frühstück zubereitet - mehr nicht.

    Es regnet vor sich hin. Meine Wohnung hat viele Fenster und so lasse ich das gedämpfte Tageslicht auf mich wirken.
    Meine Katze und ich sitzen auf dem Sofa und ich höre zum gefühlt 20 Mal „Be careful of my heart“ von Tracy Chapmen.
    Meine Katze ist einfach da und leistet mir Gesellschaft. Sie ist nicht genervt und be-schwert sich über die Musikwiederholung, wie meine beiden sich nie über etwas be-schwert haben. Nicht über meine Wechselschichten oder den besch… Stress, den ich nicht selten mit nach Hause gebracht habe. Nicht über die Tage, die ich wegen meiner Migräne „nicht zu gebrauchen war“.
    Sie waren immer einfach da und haben mir Gesellschaft geleistet. Sie haben versucht mich zu trösten und zu helfen (Als ich nach der Bandscheiben-OP aus dem Krankenhaus kam z.B. hat mein Kater sich immer auf den tauben Fuß legen wollen.).

    Was für ein Glück ich doch habe!


    *Verse 1-3 aus dem 2. Kapitel im 1. Buch Mose



    Alles Kasperletheater!
    Vor dem „Kofferpacken“ in meiner ehemaligen Unterkunft (s. Beitrag „Liebe Leute, ich habe meinen Vertrag gekündigt. …) war ich gestern zu einem gemeinschaftlichen Äpfel-sammeln auf einer Streuobstwiese. Es waren ca. 30 Personen gekommen. Die meisten gehörten zu einem Familienverbund, wodurch mehr Kinder als Erwachsene da waren.

    Wie Ihr vielleicht schon gelesen habt bin ich mit zweitem Beruf Sozialpädagogin, mein erster ist der der Erzieherin. Durch ihn habe ich viele Kinder gesehen, Kinder aus sog. Bildungsfamilien wie aus sog. sozialen Brennpunkten. (Wobei die Gesellschaftsschicht keinerlei kausalen Zusammenhang zur Erziehungsqualität, wie ich sie definiere, herstel-len lässt, so meine Erfahrung.) Ich habe behinderte wie nichtbehinderte Kinder betreut.

    Einer meiner vorherrschenden Beobachtungen am gestrigen Tag war, dass in den Familien viel geredet wird. Bei einigen scheint es keine schweigsamen Momente zu geben. Auch die kleineren Kinder hatten demzufolge eine gute sprachliche Ausdrucksfähigkeit.
    (Die Bedeutung von Phasen, in denen ein Kind mit seinen Gedanken und Phantasien al-leine sein darf, für seine Entwicklung werde ich mal recherchieren.)
    „Alles Mögliche“ wird vor- und wieder zurück interpretiert, wobei die Frage, wie man die Situation zu bewerten hat, stets mitgedacht wird. Eine Bewertung abzugeben wiederum scheint „nicht erlaubt“ zu sein. Es hat in jeder Situation Toleranz signalisiert zu werden was, nach Auffassung der Protagonisten, das Vertreten klarer Haltungen und Bewertun-gen auszuschließen scheint.
    Wir waren eine halbe Stunde auf der Obstwiese, als ich aus einem benachbarten Baum eine Kinderstimme „Wie komme ich denn jetzt wieder herunter?“ fragen hörte. Als ich diesen Satz vernahm dachte ich an ein vier-, vielleicht auch fünfjähriges Kind. Beim Blick in den Baum jedoch sah ich einen zehn- bis zwölfjährigen Jungen, der in ca. 1,50 Meter Höhe auf einem Ast stand und nicht wusste, was er tun sollte. Mir blieb für einen Moment der Mund offen stehen.
    Die Ausbildung einer Koordination von visueller Wahrnehmung und Bewegungsapparat ist für die kognitive Entwicklung eines Kindes sehr wichtig. Eine längere Abhandlung erspare ich Euch an dieser Stelle, wer möchte kann diese Zusammenhänge unter den Stichworten „Sensomotorik“ und „Visuomotorik“ bei Wikipedia nachlesen.

    Ich habe mir die unzähligen Äpfel angesehen, die schon auf dem Boden lagen und die noch intakten (100%ige Schönheit, Makellosigkeit und Unverletztheit gibt es in der Natur nicht) heraus gesammelt. Vom Boden zu sammeln scheint etwas zu sein, was in den Köpfen der meisten Teilnehmer nicht vorstellbar ist. Ich habe niemand anderen gesehen, der dies getan hat.
    Nach der Pflückaktion sind wir auf das Festgelände gegangen, wo wir u.a. gemeinsam Apfelsaft erzeugt haben. An der Saftpresse musste ein Metallrad von ca. 50 cm Durch-messer gedreht werden, wodurch sich unter dem Rad ein „Fuß“ absenkte, der die Apfel-masse presste. Muskelkraft war gefragt.
    Ich stand gerade neben der Presse und versuchte heraus zu finden, ob noch eine starke Frau gebraucht wurde. Da hörte ich neben mir einen Vater in schmollendem Ton zu sei-nem Jungen (ca. fünf Jahre alt) sagen: „Das mache ich nie wieder, das ist sauansten-gend! Und geschnitten habe ich mich auch noch. (Aus einem Meter Entfernung konnte ich kein Blut sehen. Wie groß der Schnitt wohl war?)
    ———————————————
    Mein Vater war Jahrgang 1939, hat bis zum 30. Lebensjahr in der Landwirtschaft gear-beitet.
    Wir hatten einen Campingplatz, auf dem u.a. jeden Herbst in Gemeinschaftsarbeit und oft mit Muskelkraft ca. 100 Wohnwagen, z.T. duch Matsch, zusammengeschoben werden mußten.
    Meine Mutter hat von ihrem 20. bis zum 30. Lebensjahr das Hotel ihres Vaters geleitet.

    Ganz zu schweigen von den Bewohnern meiner letzten Arbeitsstelle, die Arbeitsstellen im Lager und bei der Gemüseernte angenommen haben.
    Sowohl meine Eltern als auch die Bewohner haben schwer gearbeitet bzw. tun es noch.
    „So einen komischen Satz“, nach einer Viertelstunde körperlicher Anstrengung in schmol-lendem Ton seinem fünfjährigen Kind vorgetragen, habe ich weder von meinen Eltern noch von den Bewohnern je gehört.
    ————————————————

    Auf dem Festgelände gibt es eine große Sandkiste mit einem Kletterhaus, an dessen Rand ich zeitweilig stand. Ein Vater kam hinzu, sein geschätzt fünfjährigen Sohn spielte in ca. fünf Meter Entfernung.
    Der Vater rief seinen Nachwuchs. Es ging um die Frage, wer sich in der nächsten Zeit wo aufhalten möchte. Geschätzt ein halbes Dutzend Mal hat er gerufen.
    NULL REAKTION. Das Kind verschwand unter dem Kletterhaus. Der Vater rief ein weiteres Mal in verzerrter Tonlage und blickte dabei mit verdrehten Augen zum Himmel.
    Ich interpretiere: Er war genervt. :-)

    ICH AN SEINER STELLE wäre zu diesem Zeitpunkt in die Sandkiste gestiegen, hätte mir meinen Filius geschnappt und ihm ruhig und bestimmt eine Grundsatzrede gehalten. Ich hätte ihm die Wichtigkeit von (situationsbedingt notwendigen) Absprachen für einen für alle gelingenden Tag erklärt. Dann hätte ich ihm zu verstehen gegeben, dass es MEIN JOB ALS ERWACHSENER ist, solche Absprachen zu initiieren und SEIN JOB ALS KIND, auf meine Rufe zu reagieren und mir zuzuhören.

    Der Vater ist nicht ich, ich bin nicht der Vater. Nach dem Blick zum Himmel passierte ………………… NICHTS.
    Ich schätze mal, diese Reaktion war einem demokratischen Erziehungsstil und dem An-spruch, den kindlichen Vorstellungen in jedem Fall mit Toleranz zu begegnen (s.o.) , geschuldet. Super Geschichte! :-))

    Und dann gab es noch die Situation, in der ein junger, neugieriger, spielfreudiger Hund mit ca. 50 cm Schulterhöhe nach mehreren vergeblichen Versuchen, ihn zu sich zu zitieren, auf einer Weide mit grasenden Pferden belassen wurde.

    Nach dieser Begebenheit habe ich mir ein „Alles Kasperletheater!“ in den Bart genuschelt, bin auf mein Fahrrad gestiegen und abgefahren.

    Ende der Geschichte



    eine neue Katzengesellschaft
    Wie ich gestern schon geschrieben habe, musste ich meinen Kater letzte Woche ein-schläfern lassen.
    Nun sind meine Katze und ich alleine. An ihrer Anhänglichkeit kann ich erkennen, dass sie Gesellschaft sucht. Vor dem Hintergrund dieser Beobachtung möchte auf keinen Fall, dass sie „die Ewigkeit“ von zehn Stunden am Tag alleine bleiben muss, wenn ich wieder arbeite.

    Deshalb habe ich beschlossen, nächste Woche im Tierheim nach einer neuen Katzen- gesellschaft Ausschau zu halten. Ich bin noch zu Hause, kann die Eingewöhnung und Vergesellschaftung in aller Ruhe begleiten.



    „Liebe Leute, ich habe meinen Vertrag gekündigt. …
    Ich danke Euch für
    Eurer Respekt,
    Euer Vertrauen und
    Eure Geduld.“
    Mit diesen Worten, aufgehängt an den Pinnwänden der Unterkunft, habe ich mich gestern von „meinen Bewohnern“, 80 geflüchteten Männern „aus aller Welt“, verabschiedet.

    In der Stunde, die ich noch in der Unterkunft war, um meine Sachen zu packen, gab es …
    • ein Dutzend Umarmungen;
    • zwei Mal die Frage „Möchtest Du mitessen? Ich koche gerade.“;
    • eine (nicht ganz ernst gemeinte) Diskussion darüber, dass nicht ich sondern der zweite Bewohner in meinem Büro darüber gesprochen hat, was für ein Arschloch mein Hausmeister-Kollege ist (Er ist selber erst drei Jahre im Land und ist, seinen Landsleuten gegenüber, sehr niederträchtig über mich hergezogen.);
    • drei Angebote, mir beim Packen zu helfen;
    • eine Flasche Sprit mit den Worten „Setzt Dich hin und trinke etwas.“;
    • eine Erklärung dazu, was ein Schließfach ist. (Die Vertretungskollegin verbreitet ein unglaubliches Chaos, in dem auch die Bewohnerpost untergeht.);
    • die Verteilung meiner selbstgekauften Kaffeebecher (Es gab in meinem Büro ab und an „Kaffeerunden“ mit ein paar Bewohnern.);
    • eine Pflaume, im Vorbeigehen überreicht mit den Worten „Die ist für Dich.“;
    • eine Bitte, einen kooomplizierten Antrag auszufüllen;
    • den Satz „Ich habe Deine Stimme gehört und bin schnell zu Dir gelaufen. Wie geht es Dir?“ (Ich habe die letzten Wochen nicht mehr gearbeitet.);
    • zwei besonders fassungslose Gesichter und die Worte „Es ist immer so, die guten, korrekten Menschen gehen und die schlechten bleiben.“;
    • ein Lob an mich, eine gute Sozialarbeiterin zu sein und die Ankündigung, sich auf das Containerdach zu stellen und mit Selbstmord zu drohen, sollte ich nicht wiederkommen (Das war natürlich ein Scherz. Ein Neuzugang „hat es geschafft“, innerhalb seiner ersten zwei Wochen zwei Mal auf‘s Dach zu steigen, um ein Einzelzimmer zu erpressen. Ein ziemlich dümmlicher „Superheld“, meinem ersten Eindruck nach zu urteilen.:-) );
    • den Bericht eines anderen Bewohners, nach dem der Kollege mich selbst in meiner Abwesenheit und nachdem klar war, dass ich gehe, noch bei meiner Chefin schlecht gemacht hat (Hier fiel zum zweiten Mal an diesem Abend das schöne deutsche Wort „Arschloch“.)
    • und einen selbstgemachten „Wrap“ (Fragt mich bitte nicht, wie dieses Gericht in Indien richtig heißt.), den ich mit auf den Weg nach Hause bekommen habe.
    So war unser Kontakt. Er war der Grund dafür, weshalb ich das letzte halbe Jahr durch-gehalten habe. Gedanken an Kündigung waren mir bereits im Winter gekommen. Ich habe weitergemacht, bis meine Energie auf dem Nullpunkt war und alles versucht, Verände- rungen zu erreichen, doch die Strukturen in dieser Firma sind so krank, dass sich nichts bewegt hat.

    Vielleicht fahre ich die Männer mal am Wochenende besuchen, wenn „das Arschloch“ keinen Dienst hat.