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  • Mittwoch, 2. Oktober 2019
    Guten Abend Ihr Polizeikritiker und -kritikerinnen, …
    die Ihr über die Beamten abfällig redet und vielleicht auch schon Beleidigungen wie „Bul-lenschweine“ ausgesprochen habt. (In bestimmten Kreisen kann man mit dieser Haltung „punkten“, das weiß ich.)

    Seit Ihr schon mal in einer bedrohlichen Situation gewesen? Ich meine eine Situation in der Ihr intuitiv wißt, dass sie Euch überfordert und in der eine leise Angst in Euch auf-steigt bei der Frage, was als nächstes passieren wird?

    Ich war in den letzten Jahren vielleicht fünf/sechs Mal in solchen Situationen. Ihr könnt‘ Euch denken, um wessen Eintreffen ich jedes Mal sehr erleichtert und dankbar war.

    Wen würdet Ihr in einer solchen Situation zur Hilfe rufen?



    der Militärspaten
    >> diesen Beitrag zu schreiben wird mir schwer fallen <<

    Ich habe mir einen Bundeswehr-Klappspaten bestellt, er ist heute geliefert worden. Als ich beim Auspacken die derbe, stabile Machart und das Olivgrün sah, sträubte sich alles in mir.

    Mit Anfang/Mitte 20 habe ich viele Dokumentationen über das Dritte Reich gesehen. (Den Grund für mein Interesse weiß ich nicht.) Durch sie habe ich eine tiefe Abneigung gegen Gewalt und Krieg entwickelt.
    Seit 2015 arbeite ich mit Menschen, von denen ein Teil Krieg und/oder Folter mit Leib und Seele erfahren mussten. Seitdem kann ich meine Abscheu gegen diese Untaten kaum mehr in Worte fassen.

    Krieg zerstört alles. Er zerstört …
    das Zuhause;
    die Lebensleistungen;
    die Lebensplanungen;
    die Lebensgrundlagen;
    das Vertrauen unter den Menschen;
    die seelische Unversehrtheit und
    die körperliche Unversehrtheit.

    >> Dies ist mein Eindruck als beobachtende „Randfigur“. Wenn jemand mich zu korrigieren oder ergänzen weiß möge er/sie das bitte tun. <<

    In den letzten zwei Jahren sind mir vielleicht zehn/zwölf Lebensgeschichten zugetragen worden. Bei 80 von mir betreuten Menschen sind das relativ wenige Erzählungen.

    Ein Grund dafür wird sein, dass mit Traumata die Symptomatik der Verdrängung durch das Unterbewusstsein verbunden ist. Die Betroffenen können über ihre Erlebnisse oftmals nicht sprechen. (Ich habe mal den Satz „Das Unterbewusstsein gibt nur so viel an Erinne-rung frei, wie die Seele verkraften kann.“ gehört. Vielleicht ist er in diesem Zusammen-hang ein brauchbarer Erklärungsansatz.)
    Ein weiterer ist wohl die Erfahrung der Betroffenen, dass viele „Durchschnittsdeutsche“ (zu denen ich mich in diesem Fall auch zähle) mit den Erfahrungsberichten nicht umzu-gehen wissen.
    Und dann gab es in meinem Arbeitsalltag so viel zu tun, dass selten genug Ruhe und Zeit für tiefgreifende Gespräche war.
    Diese Umstände waren auf der anderen Seite meine Voraussetzung, diesen Job über-haupt machen zu können. Selbst bei nur einer Erzählung in der Woche hätte ich einen anderen Job gebraucht. Ihre Intensität und Häufigkeit hätten mich „umgehauen“.

    Von den Vorerfahrungen der Männer habe ich z.B. durch Berichte im Rahmen des Asyl-verfahrens erfahren, durch Bemerkungen in Gesprächen oder eine Antwort auf die Frage „Können sie Unterhalt von einem Familiengehörigen beziehen?“, die in „irgendeinem Behördenpapier“ stand.

    Wenn Männer erzählten „legten sie ihre Worte vor mir auf den Tisch“. Sie dramatisierten nicht, erwarteten keine bestimmte Reaktion von mir. Sie „legte ihre Worte vor mir auf den Tisch“. Ihre Erlebnisse sind für sie gewohnter Teil ihres Lebens.

    Neben den klaren Worten ist es vor allem die mentale Verfassung mancher Männer ge-wesen, die auf mich wirkte. (Eine meiner ehemaligen Chefinnen hat mir seiner Zeit ein gutes Gespür für Stimmungen zugesprochen. In meiner Arbeit mit Menschen ist es mir oft eine große Hilfe - in manchen Situationen ist es ein Kreuz.)

    Die Seelen mancher von ihnen sind „brüchig“. Man merkt es an ihrem Auftreten, an ihren Stimmen, an roten Augen, an der Unmöglichkeit, es lange in Gesellschaft auszuhalten.

    Die Gedanken sind z.T. durcheinander und/oder es fehlt an Konzentrationsfähigkeit. (Beratungen, bei denen die Informationen nur Stück für Stück und/oder durch mehrma-lige Wiederholungen aufgenommen werden konnten, waren eine große Geduldsaufgabe für mich.)
    Vergesslichkeit soll u.a. ein Symptom von Depressionen sein. Bei einem der Bewohner war sie ein ständiger Begleiter.
    Und dann gab es die sich alle zwei/drei Monate wiederholende Bitte einer der Männer nach der Bestellung neuer Medikamente bei der ambulanten Psychiatrie. (Die leere Medikamen-tenpackung lag anschließend als Gedankenstütze zwischen meinen Papieren.) Mehrere Männer sind in psychiatrischer Behandlung, bekommen Medikamente.

    Ergänzend möchte ich hinzufügen dass, neben den Vorerfahrungen aus den Heimatlän-dern und der Flucht, die unsicheren Zukunftsperspektiven und die schlechten Wohnbe-dingungen weitere seelische Belastungen darstellen.



    Unsere Grundhaltung, Autoritäten gegenüber …
    wird in der Beziehung zu unseren Eltern geprägt, so habe ich es gelernt. Wir übertragen die Elemente, die unsere Eltern-Kind-Beziehung ausgemacht haben und ihre Qualität in-tuitiv auf Autoritätspersonen, die uns in unserem späteren Leben begegnen - sei es
    Lehrer, Trainer, Vorgesetzte …

    Worte, die auf eine bestimmte Handlung abzielen, bekommen nach meiner Auffassung ihre Bedeutung durch ihre praktische Umsetzung. Im Umkehrschluss bedeutet das, dass Eltern, die nicht auf die Umsetzung ihrer Worte achten, ihren Kindern signalisieren, dass ihre Worte ohne Bedeutung sind. (Ich beziehe mich bei meinen Überlegungen auf meine Beobachtungen, die ich in dem Artikel „Alles Kasperletheater!“ vom 29. September fest-gehalten habe.)

    >> An dieser Stele möchte ich betonen, dass ich mir einer wohl durchdachten pädago-gischen Haltung hinter dem Verhalten der Eltern bewusst bin. Und ich weiß aus eigener Erfahrung, dass es umso mehr Kraft kostet, je mehr man sein Verhalten kognitiv steuert.
    Insofern möchte ich die Leistungen der Eltern nicht in Abrede stellen. <<

    Wie gesagt, es steht eine durchdachte Grundhaltung hinter dem Verhalten der Eltern. Von außen betrachtet (Nicht mehr oder weniger habe ich letzten Samstag getan.) führt diese Haltung zu einer unterschiedlich stark ausgeprägten Reaktionsunfähigkeit der Eltern, mit der sie ihre eigenen Worte diskreditieren.

    Mit dem, was Kinder zu Hause lernen, gehen sie in die Welt. Welche Vorstellungen haben nun Eltern, die das Eltern-Kind-Verhältnis in genannter Weise gestalten, von dem Ver-halten ihrer Kinder, Lehrern und späteren Vorgesetzten gegenüber? Wie, denken sie, wer-den ihre Kinder „draußen“ mit Anforderungen und Anweisungen umgehen?