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  • Wer trägt die Verantwortung für das hohe Arbeitspensum?
    Das Arbeitspensum ist bei vielen von uns ist deutlich zu hoch, wie ich u.a. in diesem Beitrag über die Tätigkeit der Paketzusteller beschrieben habe.

    Diese "Arbeitsverdichtung" (Ich finde das Wort "großartig"!) ist mir vor über 20 Jahren das erste Mal bewusst aufgefallen. Damals war bei der Stadt angestellt. Sie beschäftigt Mitarbeiter in unterschiedlichsten Bereichen. Auf einer Betriebsratsversammlung waren Bademeister der städtischen Schwimmhallen genauso anzutreffen wie Verwaltungsangestellte und Mitarbeiter aus den Kindergärten.
    Einer nach dem anderen trat vor das Mikrofon und sprach von gravierenden Personaleinsparungen, die einen immensen Arbeitszuwachs für die verbleibenden Mitarbeiter zur Folge hatten. Das war 1996.
    Nach dieser Versammlung ist mir bewusst geworden, dass jeder Mensch nur eine bestimmte mentale wie körperliche Leistungsfähigkeit hat. Ich habe mich gefragt, wann diese arbeitsmarktübergreifend erreicht sein wird und damit das System kollabiert.

    Es ist unvernünftig, von einem Menschen mehr zu fordern als er leisten kann. Das lies
    auch Antoine de Saint-Exupéry den König im "Kleinen Prinzen" feststellen:

    König: »Wenn ich einem General geböte, nach der Art der Schmetterlinge von einer Blume zu andern zu fliegen oder eine Tragödie zu schreiben oder sich in einen Seevogel zu verwandeln, und wenn dieser General den erhaltenen Befehl nicht ausführte, wer wäre im Unrecht, er oder ich?«
    »Sie wären es«, sagte der kleine Prinz überzeugt.
    »Richtig. Man muß von jedem fordern, was er leisten kann«, antwortete der König.

    Dieses Gespräch zwischen dem Kleinen Prinzen und dem König enthält für mich, neben einem Hinweis auf Art und Umfang der Leistungsanforderungen, noch eine weitere Botschaft.
    Wenn eine Führungsperson etwas von uns verlangt, was nicht in unseren Kräften steht, liegt die Schuld für unser Versagen nicht bei uns, sondern bei dem Anweisungsgeber.

    Oftmals wird heutzutage von uns erwartet, "nach der Art der Schmetterlinge von einer Blume zu andern zu fliegen oder eine Tragödie zu schreiben oder sich in einen Seevogel zu verwandeln" Viele von uns versuchen immer noch, diesen Erwartungen gerecht zu werden.
    Wir halten unsere Infrastruktur mit letzter Kraft am Laufen, weil nicht wenige von uns die Verantwortung für die Arbeitserledigung bei sich selber sehen. Dabei liegt sie bei den Anweisungsgebern, bei den Personen die für diese Strukturen verantwortlich sind, wie Antoine de Saint-Exupéry festgestellt hat.
    Wenn wir es schaffen, die Verantwortung von uns zu weisen, sind wir frei gegen Ausbeutung zu protestieren.

    - Auf diese Aussage haben mir mehrere Gesprächspartner ihre Angst vor einer Kündigung signalisiert. In meiner Branche werden "an allen Ecken" Mitarbeiter gesucht. Wie sieht das bei Euch aus?




    wartet.auf.ihre.seele am 06.Nov 19  |  Permalink
    >> DIESEN KOMMENTAR HAT "MALWASANDERES" GESCHRIEBEN.
    Da ich mit der Ursprungsfassung meines Beitrages technische Schwierigkeiten hatte, habe ich ihn nochmal hierher "umkopiert".


    Exzellent.
    Wenn eine Führungsperson etwas von uns verlangt, was nicht in unseren Kräften steht, liegt die Schuld für unser Versagen nicht bei uns, sondern bei dem Anweisungsgeber.
    Absolut richtig. Es ist einfach unumstößlich wahr, »dass jeder Mensch nur eine bestimmte mentale wie körperliche Leistungsfähigkeit hat.« In den Siebzigern, vielleicht noch bis Anfang der Achtziger war in meiner Wahrnehmung die Position der Gewerkschaften auch tatsächlich stark genug, solche Diskrepanzen anzu- und Veränderungen einzuklagen. Durch zwei parallele Entwicklungen, die zum globalen Wettbewerb auch der Arbeitskräfte einerseits und die zu immer mehr selbständig Arbeitenden andererseits ist diese Position erheblich geschwächt. Auch Minijobs haben das ihre dazugetan.

    Noch etwas: Arbeitgeber haben mit der Extremisierung der Arbeitsbedingungen (von unbezahlten Überstunden bis zur mobilen Erreichbarkeit am Wochenende oder an freien Tagen) selbst dazu beigetragen, dass viele Jobs mittlerweile ausgesprochen unbeliebt sind. Natürlich werden dann »an allen Ecken Mitarbeiter gesucht« – wer will schon zum Mindestlohn vierzehn Stunden am Stück in der Pflege arbeiten, oder an der Kasse im Supermarkt? Die, die es trotzdem tun, tun es, weil sie’s müssen – und wissen ganz genau, wie wackelig der Stuhl (oder eher Hocker) ist, auf dem sie sitzen.